Eine Ausstellung über das Black Mountain College – Participation in Creation ‽

Partizipation wird als das Grundrecht in einer Demokratie und als Möglichkeit des Einzelnen angesehen, durch die Form aktiver Teilhabe soll direkt politischer Einfluss genommen oder entzogen werden. Damit ist ein Anspruch Markus Miessens beschrieben – dessen Publikation ‚Albtraum Partizipation‘ hier in Ansätzen diskutiert werden soll – der sich der Entwicklung einer konfliktorientierten Partizipationstheorie verschrieben hat. Miessen legt in dem besprochenen Band, der bei Merve erschienen ist, im Vorwort dar, worin er die Immanenz seiner publizierenden Arbeitsweise erkenne. Diese sei nicht das „Resultat endloser Wochen in Archiven, sondern ein Versuch, Wissen durch Praxis zu produzieren.“ (20) Dies möchte ich versuchen, ansatzweise in Bezug zu Fragen zu setzen, wie das Format museale Ausstellung – im konkreten Fall beziehe ich mich auf ‚Black Mountain‘ im Hamburger Bahnhof – hinsichtlich partizipativer Techniken gedacht werden kann.

Muss Partizipation, so könnte man vielleicht den Bogen der großen Frage spannen, die Miessen zu stellen versucht, lediglich auf den Prinzipien von Konsens und davon befeuertem gesellschaftlichem Engagement entstehen: bedroht von der Gefahr, als Bestätigung des gehenden Systems ihre eigene Fähigkeit zu verlieren und somit den Wunsch kritischer Praxis zum Symptom dessen verkommen zu lassen, was zu kritisieren sie einst trachtete. Umgemünzt gefragt: Wie kann man innerhalb der Rahmenbedingungen der heutigen Kunstwelt eine große historische Ausstellung kuratieren, die sich mit einem industriegesellschaftlich bereits ausreichend verwerteten Themenkomplex beschäftigt und weiters auch nicht dem Verkauf dient (Themen, die, worauf ich gleich weiter hinweisen werde, sehr eng zu Miessens Überlegungen stehen). Die Ausstellung reiht die Frage nach vorne, wie als man als aktiv Handelnder in einer vorhandenen Situation partizipieren kann, ohne dabei sein Verhalten primär an der Frage auszurichten, wie Konsens befördert, sondern vielmehr, wie eine Praxis durch Teilhabe aktiv gesteuert werden könne.

Dabei stand in Black Mountain das Experiment im Mittelpunkt, berühmt nicht zuletzt dank John Cages ausführlichen Beschreibungen (siehe bspw. der Briefwechsel mit Pierre Boulez). Einem Experiment ist das Dogma der Beteiligung nicht von vorne hin als Größe seiner Formel eingeschrieben, es gibt sie, diese Formel, nämlich nicht! Die Parameter, die eine Messbarkeit experimenteller Anordnungen veranschlagen, sind in ihren Grenzen befangen. Die Grenzen: sollen verlassen werden und der Antrieb des Handelns ein Individueller sein, der sich jenseits der Befangenheiten (von Zeitplänen, short und long term goal lists, structured functional timetables, und vielem ähnlichem mehr) bewegen kann. Dieser Anspruch restrukturalisiert die Verbindung des Einzelnen zu dem Gewebe, dem Strukturfeld, in dem er seine Bewegungen plant und vollzieht.
Das Feld selbst wird dabei als Vektor angenommen.
Eine weitere Perspektive, die mit Miessen eingebracht werden kann, ist die Arbeitsweise des Dilletanten. (158 ff.) Sie alleine dient der Ermöglichung einer Außenperspektive auf ablaufende Prozesse der Arbeit und dadurch einem eingreifenden Verändern derselben. Die dilettantische Arbeitsweise prägt Formen der Zusammenarbeit, die sich grund der Fremdheit zueinander aneinander schärfen können. Statt Kooperation wird Kollaboration als Struktur eines sich wuchernd ausbreitenden Wissens gedacht, auf der sich Ideen jenseits strikter Regeln eines gemeinsamen Konsens ausbreiten und zunächst jenseits bewertender Schemata existieren. Im Prozess dieser Teilung kann, so der österreichische Theoretiker Gerald Raunig, zwischen Formen der Partition, Partizipation und Division differenziert werden. (siehe Raunig: Dividuum; transversal.at) Entgegen der patriarchal-herrschaftlichen Teilung und entgegen der sharing-economy als Verwertungsmaschine unbezahlter Datenmengen hält Raunig sein Plädoyer – und damit ähnelt sein Vorschlag stark den Formen von Partizipation, wie sie Miessen vorschweben – für Division. Mit den Begriffen der Affirmation und Resingularisierung beschreibt er, was auf politischer, soziologischer, künstlerischer Ebene Teilungsprozesse erzeugen sollten: Einen (demokratischen) Raum, in dem Differenzen aufeinander stoßen können.

Am Black Mountain College fanden sich Konstellationen, die auf der Basis des Zusammenlebens, teils als Selbstversorger in diesem kleinen Dorf in den Bergen, Formate individuellen Opportunismus in das Leben der Gemeinschaft integrierten. Damit ist angedeutet, was Miessen als Befragung der Machtbeziehungen auf ‚allen Ebenen‘ einfordert und damit das Dogma des lediglich global auszufechtenden Kampfsinns abwehrt, welches den Einzelnen in jenen emotional aufgeladenen Modus der Pseudo-Verantwortung brachte, der sich in gegenwärtigen Partizipationsmustern manifestiert. (vgl. 103)
Das Muster des Vorstellens einzelner Akteure, wie Miessen sich es zur Aufgabe seiner Publikation gemacht hat, ist Bürge nicht zuletzt auch für die historische Bedeutung des College. Die Stilisierung einzelner Persönlichkeiten kann natürlich unter negativen Aspekten betrachtet werden, ergibt jedoch in der Architekur der Ausstellung ein Spannungsfeld, das im Sinne eines Zeitgeists Entwicklungen in ihrer stets zueinander wechselnden Abhängigkeit und Unabhängigkeit zu zeigen gewährt.

Und nicht zuletzt hat natürlich der Grundsatz zu tragen, dass in unserer globalisieren Welt des maschinistischen Kapitals die Empfindung von Radikalität eines vergangenen Zeitpunkts als sichere Quelle für eine zukunfsweisende Trendforschung gilt, die in der formelhaften Aneignung bestimmter Praktiken aus diesen Dogmen entwickelt. Miessens Buch stellt meines Erachtens nach einen Versuch einer Erfassung solcher dar – und ermöglicht an einigen Punkten auch Parallelen, die sich am College in Black Mountain lokalisierten und nun unter dem Stichwort ‚creative industries‘ verschlagwortet sind – Miessen zeigt Spuren auf, ohne diese jedoch ausreichend zu vernetzen. Das Buch, wie die Ausstellung: sind in dieser Hinsicht Stichwortgeber, mit Leerstellen zum Eintrag ‚Modellcharakter‘. Der Versuch, gegebene Verhältnisse – seien es Institutionen, Kommunikationsformen oder die Art und Weise der Verteilung von Information in den Buchseiten und im Raum – zu strukturieren, eröffnet Differenzen, die Entscheidungen zwischen Alternativen beinhalten, die zu treffen unmöglich bleiben.

Eine Notiz von Anna-Maria Fiala

Teilnehmende Studentin der Lehrveranstaltung “Black Mountain-Tracing Basics. Modelle performativer Künste und Wissenschaften” (Sommersemester 2015) geleitet von Prof. Dr. Annette Jael Lehmann an der Freien Universität Berlin