The Ruse of Medusa

Die Aufführung des Theaterstücks „The Ruse of Medusa – a lyric comedy in one act“ stellte einen der Höhepunkte während der Summer Session 1948 am Black Mountain College dar. John Cage, der in diesem Jahr zum ersten Mal an das College gekommen war, initiierte das “Amateur Festival of the Music of Erik Satie”. Er war fasziniert von Erik Satie und von seinen Kompositionstechniken beeinflusst. Beide teilten die Auffassung, dass die Zeitdauer in einem Musikstück die wichtigste, strukturelle Komponente darstellen würde. (1)

Buckminster Fuller in “The Ruse of The Medusa”, Summer Session 1948, Black Mountain College. Courtesy: Black Mountain College Museum + Arts Center.

Buckminster Fuller in “The Ruse of The Medusa”, Summer Session 1948, Black Mountain College. Courtesy: Black Mountain College Museum + Arts Center.

Cages Faszination für Satie stand jedoch im Gegensatz zu der Dominanz deutscher Komponisten, die am Black Mountain College omnipräsent war. Um sich gegen die deutsche Tradition im Lehrplan aufzulehnen, gab Cage während des Sommers den Kurs „Defense of Satie“ und spielte an drei Abenden der Woche Werke von Satie zum Abendessen in der Dining Hall. Das Amateurfestival kulminierte in der Aufführung des Stücks „Le Piége de Méduse“ (2). John Cage hatte eine Kopie des Werkes aus der Nationalbibliothek in New York mitgebracht und ließ es von Mary Caroline Richards übersetzen.

Das Stück besteht aus neun kurzen Szenen und handelt von Baron Medusa und seiner Tochter Frisette, die sich in tragikomischen Missverständnissen um Frisettes Verehrer verstricken. Die Hauptrollen wurden von Buckminster Fuller und Elaine de Kooning gespielt. Die Rolle des Astolpho, Frisettes Verehrer, wurde von William Shrauger übernommen. Des Barons widerspenstiger Diener Polycarp wird von Isaac Rosenfeld gemimt. Zunächst begann Helen Nickerson mit der Inszenierung des Stücks, gab die Leitung jedoch an Arthur Penn ab. Merce Cunningham choreografierte und tanzte den mechanischen Affen Jonas. Die Musik wurde von John Cage gespielt und das Bühnenbild von Elaine und Willem de Kooning gestaltet. Der eher schüchterne Buckminster Fuller übernahm nur widerwillig die Hauptrolle des Baron Medusa, schließlich stand dieser noch nie auf der Bühne. Doch Arthur Penn verstand es mit etwas unorthodoxen Praktiken, wie z.B. in der Dining Hall herumzuspringen, dem Laiendarsteller die Hemmungen zu nehmen. Die aufwendigen Kostüme wurden von Mary Bowles entworfen.

Program for performance on August 14, 1948 of “The Ruse of Medusa: a lyric comedy in one act” by Erik Satie. Cast included: Buckminster Fuller, Isaac Rosenfeld, William Shrauger, Elaine de Kooning, Merce Cunningham, and Alvin Charles Few. Direction by: Helen Livingston and Arthur Penn. Dance by: Merce Cunningham; Music performed by: John Cage. Courtesy the North Carolina State Archives

Program for “The Ruse of Medusa: a lyric comedy in one act” in 1948. Courtesy the North Carolina State Archives

Satie inszenierte sein Stück als eine comédie lyrique, in der das Absurde überhand nimmt. Ein Aspekt, der sich womöglich in der eigenartigen Beziehung zwischen Baron Medusa und Frisette wiederspiegelt, die er als seine Amme bezeichnet. Die Musik besteht aus 7 Sätzen, die Satie 1913 für das Klavier und 1921 für ein kleines Ensemble neu komponierte und die einzelnen Akte unterteilen. Die Musik changiert zwischen Quadrille, Walzer und Polka. Als das Stück 1948 am Black Mountain College aufgeführt wurde, spielte Cage jedoch nur Klavier. Während der öffentlichen Proben gelangten John Cage und Merce Cunningham durch Improvisation zu der finalen Ausarbeitung des Stücks. (3) Dessen Aufführung stellt ein Resultat künstlerischer Erforschung auf den verschiedensten Ebenen und mittels unterschiedlicher Disziplinen dar. Die interaktive Zusammenarbeit der verschiedenen Künste, sei es Tanz, Theater, Bühnenbild oder Musik sowie der progressive Projektcharakter des Theaterstücks, der vor allem durch Improvisation geprägt war, ließen „The Ruse of Medusa“ zu einem „Meilenstein des New Theatre“ (4) werden.

Ein Artikel von Stephanie Götsch

Teilnehmende Studentin der Lehrveranstaltung “Black Mountain College als Kreativitätsmodell. Zur Genealogie entgrenzender Kunstpraktiken und performativer Künste” geleitet von Prof. Dr. Annette Jael Lehmann an der Freien Universität Berlin.

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1 Vgl. Mary Emma Harris: The Arts at Black Mountain College. MIT Press, Cambridge, 1987, S. 154.
2 Vgl. Erik Satie: Le Piège de Meduse. Le Castor Astral, Pantin, 1988.
3 Vgl. Andi Schoon: Die ordnung der Klänge. Das Wechselspiel der Künste vom Bauhaus zum Black Mountain College. transcript, Bielefeld, 2006, S. 142
4 Zit. Michael Kirby. Zitiert nach Schoon, 2006, S. 143.